Leitung: Dr. phil. Dr.-Ing. Jürgen H. Franz
Die Arbeitsgruppe Philosophie und Technik widmet sich seit Gründung des APHIN in Kooperation mit der Kueser Akademie für Europäische Geistesgeschichte Klassikern der Technikphilosophie. Die Gruppe ist als wissenschaftlicher Lesekreis konzipiert und offen für alle, die einmal aus einer anderen, nämlich der philosophischen Perspektive auf den Bereich der Technik blicken wollen. Ein Einstieg ist jederzeit möglich. Philosophische Grundkenntnisse sind für die Teilnahme nicht erforderlich. Erfreulich und ausdrücklich gewünscht ist, dass die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Arbeitsgruppe aus verschiedenen Berufszweigen kommen und damit die einzelnen Werke aus jeweils unterschiedlichen Disziplinen betrachten. Die Treffen finden in der Kueser Akademie für Europäische Geistesgeschichte statt. Gäste sind jederzeit herzlich willkommen. Kontaktanschrift: juergen.h.franz@aphin.de.
Am 7. Februar 2025 traf sich die Arbeitsgruppe zusammen mit Gästen zu ihrem 50. Treffen, das mit einem kleinen Festakt und einem dazu adäquaten Programm mit Vorträgen und einem technikphilosophischen Wissensspiel begangen wurde.
Im Zentrum der Arbeitsgruppe steht die Frage: Was ist Technik? Oder: Was ist das Wesen von Technik? Oder: Was ist das Allgemeine oder Gemeinsame an der großen Vielfalt besonderer Techniken? Da die Arbeitsgruppe ihre regelmäßigen Treffen im Geburtsort des Nikolaus von Kues (Cusanus) veranstaltet, war es naheliegend zunächst die Philosophie der Technik des Nikolaus von Kues zu untersuchen. Im Vordergrund stand dabei die Frage, ob aus dem umfangreichen Gesamtwerk eines Theologen und Philosophen, der im Übergang vom Mittelalter zur Renaissance lebte, überhaupt eine Philosophie der Technik abgleitet werden kann. Diese Frage konnte die Arbeitsgruppe klar mit Ja beantworten. Und nicht nur das, seine Philosophie der Technik erwies sich in vielen Aspekten als außerordentlich modern. Die Auseinandersetzung der Arbeitsgruppe mit der Technikphilosophie war sehr erfolgreich. Neben zwei Monografien resultierten aus dieser Arbeit zahlreiche Aufsätze, Buchbeiträge und Publikationen. Siehe hierzu den Menüpunkt der APHIN-Homepage Die Technikphilosophie und die Technikethik des Cusanus.
Im Anschluss an diese Forschungsarbeit widmete sich die Arbeitsgruppe nun ihrem eigentlichen Ziel, nämlich dem vergleichenden Studium klassischer Werke der Technikphilosophie. Die folgenden Werke wurden in den letzten Jahren gemeinsam kritisch erarbeitet und kommentiert:
– Anders, Günther: Die Antiqiertheit des Menschen
– Cassirer, Ernst: Form und Technik
– Gehlen, Arnold: Die Seele im technischen Zeitalter
– Heidegger, Martin: Die Frage nach der Technik
– Ortega y Gasset, José: Betrachtungen über die Technik
– Spengler, Oswald: Der Mensch und die Technik
Trotz der Unterschiede in der Bestimmung des Wesens der Technik in diesen Werken, zeigen doch alle diese Werke auch Gemeinsamkeiten. Am markantestes ist die enge Verknüpfung zwischen der Frage nach dem Wesen der Technik und der nach dem Wesen des Menschen. Die erste Frage scheint ohne Antwort auf die zweite Frage nicht zu beantworten und wohl auch vice versa. Technikphilosophie und Anthropologie gehen hier also Hand in Hand. In allen Werken wird zweitens Technik nicht auf Dinghaftes verkürzt. Technik ist nämlich nicht nur die Summe der vielfältigen technischen Artefakte. Technik ist stets an menschliches Handeln gebunden; sie ist eine besondere Weise des Handelns, die von der Entwicklung und Herstellung technischer Produkte und Systeme bis hin zur Nutzung dieser Artefakte reicht. Und wenn Technik eine Weise des Handelns ist, dann ist technisches Handeln selbstverständlich ebenso zu verantworten, wie jede Alltagshandlung auch, was letztendlich die Notwendigkeit einer Technikethik impliziert. Dieser ethische Aspekt der Technik wird allerdings nur in wenigen der oben aufgeführten Werke konkret thematisiert, am deutlichsten noch gegen Ende des Werkes von Cassirer. Eine dritte Gemeinsamkeit ist die Technikkritik. Aber obgleich in allen genannten Werken gleichermaßen Technikkritik geübt wird, so fällt diese doch sehr unterschiedlich aus. Zum einen in der Begründung der Kritik und zum anderen in ihrer Stärke. So mangelt es besonders bei Spengler an der Begründung, obgleich bei ihm die Kritik am heftigsten ausfällt und apokalyptische Ausmaße annimmt. Cassirer sticht hier erneut positiv hervor, indem er deutlich macht, dass eine Kritik an der Technik erst dann fundiert geäußert werden kann, wenn man das Wesen der Technik ermittelt hat. Eine vierte nicht ganz so ausgeprägte Gemeinsamkeit ist der Versuch, sich dem Verständnis der Technik dadurch zu nähern, dass auf die historische Entwicklung der Technik rekurriert wird. Cassirer, Gehlen und Ortega y Gasset ziehen darüber hinaus auch noch die Magie in diese Untersuchung ein. Und schließlich betrachten bis auf Heidegger alle anderen in ihren Werken mehr oder weniger klar den Bezug der Technik auf die menschliche Seele.
Neben diese Gemeinsamkeiten gibt es auch deutliche Unterschiede. Diese zeigen sich erstens in der philosophischen Stringenz, also in der Qualität und Plausibilität der Begründungen, der Argumente, der Schlüsse usw. Sie ist vorbildhaft bei Heidegger und Ortega y Gasset und mangelhaft bei Spengler, dessen Werk zahllose unbegründete Pauschalierungen, Verallgemeinerungen und Behauptungen enthält. Ein zweiter Unterschied besteht, wie bereits oben aufgezeigt, in der Stärke der Kritik, die von wohlwollend bei Gehlen bis hin zur Verdammung bei Spengler und teils auch bei Anders reicht. Der dritte Unterschied besteht in der Vision, die in den Werken bezüglich der Technik geäußert wird und eng mit der Technikkritik verknüpft ist. Sie reicht von der Möglichkeit einer sittlichen, humanen Technik bei Cassirer, über die auch in Zukunft fortbestehende Faszination an der Technik bei Gehlen, bis hin zu Apokalypse bei Spengler.
Die folgenden Kommentierungen vermitteln einen tiefer gehenden Einblick in die oben aufgeführten Werke. Wenn Sie diese für ihre eigene Arbeit verwenden, dann gehen wir davon aus, dass Sie selbstverständlich darauf hinweisen und die Quelle angeben.
• Franz, Jürgen H. (2014): Eine kritische Einführung in Martin Heideggers technikphilosophisches Werk, Die Frage nach der Technik.
Download: Die Frage nach der Technik.
• Franz, Jürgen H. (2017): Eine kritische Einführung in Oswald Spenglers technikphilosophisches Werk, Der Mensch und die Technik.
Download: Der Mensch und die Technik.
• Franz, Jürgen H. (2019): Eine kritische Einführung in José Ortega y Gassets technikphilosophisches Werk, Betrachtungen über die Technik.
Download: Betrachtungen über die Technik.
• Franz, Jürgen H. (2018): Eine kritische Einführung in Ernst Cassirers technikphilosophisches Werk Form und Technik.
Download: Form und Technik
• Synopse der in der Arbeitsgruppe gelesenen Werke Teil I
Download: Synopse Teil 1
• Synopse der in der Arbeitsgruppe gelesenen Werke Teil II
Download: Synopse Teil 2
• Bericht 2025 der AG Philosophie und Technik.
Download: Bericht
• Schnipsel-Jagd: Ein technikphilosophisches Ratespiel in vier Schwierigkeitsgraden
Download: Technikphilosophische Schnipseljagd
• Technikfolgenklassifikation Kurzfassung
Download: Folgenklassifikation